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Geltungszeitraum von: 08.12.2003

Geltungszeitraum bis: 06.12.2018

Gleichstellungsordnung

Vom 8. Dezember 2003

ABl. Nr. 245/2003, 192/2009, 209/2012

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Präambel

Die Evangelische Kirche in Österreich sieht sich dem Grundsatz der Gleichstellung und Gleichbehandlung aller in ihr wirkenden Personen, insbesondere dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, verpflichtet. Sie setzt sich mit dieser Ordnung zum Ziel, vor allem die geschlechtsspezifischen Diskriminierungen hintanzuhalten und Defizite in der Gleichstellung von Frauen in der Kirche aufzuzeigen und zu beseitigen.
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I.
Geltungs-/Anwendungsbereich

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§ 1

( 1 ) Dieses Kirchengesetz findet in sämtlichen Bereichen der Evangelischen Kirchen in Österreich sowie in allen kirchlichen Werken und Einrichtungen Anwendung.
( 2 ) Die Gleichstellungsordnung gilt für alle haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in Abs. 1 genannten Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Österreich.
( 3 ) Von der gegenständlichen Ordnung bleiben die staatlichen Gesetze und EU-rechtlichen Bestimmungen zur Gleichbehandlung unberührt.
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II.
Gleichstellungsgebot

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§ 2

( 1 ) Bei Entscheidungen über die haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeit dürfen nur Fachkompetenz, Ausbildung und Weiterbildung und die Eignung im Hinblick auf das jeweilige Aufgabengebiet berücksichtigt werden. Die Beachtung sachfremder Aspekte, vor allem die der Geschlechtszugehörigkeit, gilt als Diskriminierung. Niemand darf mittelbar oder unmittelbar diskriminiert werden; insbesondere nicht
  1. bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses und der Festsetzung eines Entgelts hiefür.
  2. bei der Auswahl oder Namhaftmachung für eine ehrenamtliche Funktion.
  3. beim beruflichen Aufstieg von Dienstnehmern.
  4. im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen von Dienstnehmern, insbesondere im Bereich Mutterschutz, Karenzierung, Teilzeittätigkeit sowie Aus- und Fortbildung von Dienstnehmern und ehrenamtlichen Mitarbeitern.
  5. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. bei Beendigung einer ehrenamtlichen Funktion.
( 2 ) Diskriminierung ist jede benachteiligende Differenzierung, die ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen wird.
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§ 3

Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn der/die ArbeitnehmerIn, der/die ehrenamtliche MitarbeiterIn im Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis, seiner/ihrer Tätigkeit:
  1. vom Arbeitgeber selbst sexuell belästigt wird oder
  2. durch Dritte sexuell belästigt wird und der Arbeitgeber es schuldhaft unterlässt, eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, wenn der Arbeitnehmer durch Dritte sexuell belästigt wird.
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§ 4

Der Arbeitgeber bzw. die jeweilige Institution darf einen Arbeitsplatz oder ein Ehrenamt weder öffentlich noch innerhalb der kirchlichen Einrichtungen nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben oder durch Dritte ausschreiben lassen, es sei denn, für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist einem bestimmten Geschlecht auf Grund der Art der Tätigkeit oder der Bedingungen eindeutig der Vorzug zu geben. Die Ausschreibung darf auch keine zusätzlichen Anmerkungen enthalten, die auf ein bestimmtes Geschlecht schließen lassen.
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III.
Innerkirchliche Einrichtung für die Behandlung von Gleichstellungsfragen

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Die Gleichstellungskommission

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§ 5

( 1 ) Für die Behandlung von Gleichstellungsfragen fungiert eine Gleichstellungskommission, welche aus acht Mitgliedern besteht. Die nachbezeichneten Institutionen sind berechtigt, je ein Mitglied sowie ein Ersatzmitglied für die Gleichstellungskommission zu nominieren. Die Bestellung der nominierten Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder erfolgt durch die Kirchenpresbyterien A. B. und H. B. in gemeinsamer Sitzung.
  1. Evangelische Frauenarbeit in Österreich
  2. Verein Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Österreich
  3. ARGE der Evangelischen Theologinnen
  4. ARGE Evangelischer Bildungswerke
  5. Kirchenpresbyterium A. B.
  6. Kirchenpresbyterium H. B.
  7. ARGE Religionslehrer und Religionslehrerinnen
  8. Mitarbeitergruppenvertretung gemäß OdVM 2000
( 2 ) Die Bestellung erfolgt für die Zeitdauer der jeweils laufenden Gesetzgebungsperiode der Generalsynode. Im Falle des Ausscheidens eines Mitgliedes der Gleichstellungskommission ist jene Institution zur Nachnominierung eines Mitglieds berechtigt, von welcher die ausgeschiedene Person vorgeschlagen wurde.
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§ 6

( 1 ) Die Gleichstellungskommission hat aus ihren Mitgliedern eine/n Vorsitzende/n sowie dessen/deren Stellvertreter/in zu wählen und eine/n Gleichstellungsbeauftragte/n zu ernennen, der/die jedoch nicht Mitglied der Gleichstellungskommission sein darf.
( 2 ) Die Mitglieder der Gleichstellungskommission sind weisungsfrei. Die Tätigkeit im Rahmen der Gleichstellungskommission erfolgt ehrenamtlich.
( 3 ) Der Gleichstellungskommission werden im Bereich des Evangelischen Zentrums in Wien Räumlichkeiten für Sitzungen zur Verfügung gestellt. Sämtliche Kosten für den Sachaufwand werden von der Evangelischen Kirche A. u. H. B. getragen.
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Aufgaben der Gleichstellungskommission

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§ 7

Zu den Aufgaben der Gleichstellungskommission zählen insbesondere folgende Tätigkeiten:
  1. Beratung, Information
    • über die von der/dem Gleichstellungsbeauftragten referierten Problemfälle
    • für Frauen und Männer im Zusammenhang mit Gleichstellungsfragen
    • über kirchliche Fortbildungsmöglichkeiten
  2. Erarbeitung von Stellungnahmen und Grundsatzpapieren u. a. zu folgenden Themen:
    • Die Lebenswirklichkeit von Frauen und Männern in den einzelnen Bereichen und Einrichtungen der Evangelischen Kirchen
    • Entwicklung und Durchsetzung eines Frauenförderungsplanes
  3. Einleitung und Durchführung von Verfahren gemäß § 13
  4. Schaffung einer Geschäftsordnung
  5. Öffentlichkeitsarbeit
  6. Kooperation und Kommunikation mit sämtlichen kirchlichen Stellen
  7. Berichterstattung im Rahmen der Generalsynode
  8. Ausarbeitung eines Budgetvorschlages
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Rechte und Pflichten der Gleichstellungskommission

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§ 8

( 1 ) Der Gleichstellungskommission sind kirchliche Gesetzesentwürfe und Verordnungen, weiters Anträge an die Synode nach erfolgter Beratung im RVA zur Stellungnahme zu übermitteln. Die Obleute der Ausschüsse der Synoden sind verhalten, im Stadium der Beratung von Angelegenheiten, welche offenbar Fragen der Gleichstellung gemäß dieser Ordnung betreffen, Stellungnahmen der Gleichstellungskommission einzuholen.
( 2 ) Der/Die Vorsitzende der Gleichstellungskommission hat mindestens einmal jährlich eine Sitzung einzuberufen und den/die Gleichstellungsbeauftragte/n zur Berichterstattung einzuladen. Die Gleichstellungskommission hat der Generalsynode einen schriftlichen Bericht vorzulegen und ist ihr die Möglichkeit einzuräumen, in der Generalsynode hierüber zu referieren.
( 3 ) Auf ausdrückliches Verlangen des/der Gleichstellungsbeauftragten hat der/die Vorsitzende eine binnen vierzehn Tagen stattfindende außerordentliche Sitzung einzuberufen.
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Der/Die Gleichstellungsbeauftragte

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§ 9

( 1 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte übt seine/ihre Tätigkeit im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung hauptamtlich aus. Er/Sie ist nicht Mitglied der Gleichstellungskommission.
( 2 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte wird von der Evangelischen Kirche A. B. angestellt, wobei sämtliche Kosten für den Arbeits- sowie den Sachaufwand von der Evangelischen Kirche A. u. H. B. getragen werden.
( 3 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte steht für persönliche oder telefonische Anfragen zur Verfügung.
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Aufgabenbereich der/des Gleichstellungsbeauftragten

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§ 10

Zu den Aufgaben der/des Gleichstellungsbeauftragten zählen insbesondere:
  1. juristische Beratungs- und Vermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Gleichstellungsanfragen;
  2. Beratung und Information über die staatlichen Bestimmungen (insbesondere staatliche Fristen usw.) im Bereich der Gleichbehandlung;
  3. Beratung im Zusammenhang mit einer geltend gemachten Diskriminierung bei Ausübung einer Tätigkeit in der Evangelischen Kirche, insbesondere bei Fällen sexueller Belästigung im Bereich des kirchlichen Arbeitsplatzes bzw. Tätigkeitsfeldes.
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Rechte und Pflichten der/des Gleichstellungsbeauftragten

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§ 11

( 1 ) Auf Verlangen der/des Gleichstellungsbeauftragten hat der/die Vorsitzende der Gleichstellungskommission binnen vierzehn Tagen nach Einlangen eines entsprechenden Ansuchens eine Sitzung der Gleichstellungskommission einzuberufen, wenn der/die Gleichstellungsbeauftragte auf Grund der Dringlichkeit einer Anfrage und der außergewöhnlichen Problematik eine Entscheidung über seine/ihre Vorgehensweise nicht ohne vorherige Beratung durch die Gleichstellungskommission treffen kann.
( 2 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte nimmt an den Sitzungen der Gleichstellungskommission teil.
( 3 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte hat im Rahmen seiner/ihrer Tätigkeit ein Auskunftsrecht gegenüber sämtlichen kirchlichen Einrichtungen, wobei eine Einsichtnahme in Personaldokumente nur mit Zustimmung des jeweils Betroffenen zulässig ist.
( 4 ) Die Evangelische Kirche A. B. sowie die Evangelische Kirche H. B. können nach entsprechender Beschlussfassung durch die Kirchenpresbyterien A. B. oder H. B. weitere Geschäftsstellen für Gleichstellungsbeauftragte am Sitz der einzelnen Superintendenzen einrichten, wobei auch in diesem Fall dem/der Gleichstellungsbeauftragten ein Auskunfts- bzw. Informationsrecht eingeräumt wird.
( 5 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte hat der Gleichstellungskommission halbjährlich einen Tätigkeitsbericht vorzulegen.
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IV.
Verschwiegenheit

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§ 12

( 1 ) Die Mitglieder der Gleichstellungskommission sind im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Verschwiegenheit verpflichtet; diese Verpflichtung betrifft nicht nur die Beratungen im Gremium, sondern bezieht sich auf alle personenbezogenen Informationen, von denen die Mitglieder Kenntnis erlangen. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch über die Beendigung der Tätigkeit hinaus.
( 2 ) Die Verschwiegenheitspflicht der Gleichstellungskommission gilt nicht gegenüber dem/der Gleichstellungsbeauftragten.
( 3 ) Der/Die Gleichstellungsbeauftragte ist bei der Beratung von Beschwerden, Anfragen usw. zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Mit Zustimmung der betroffenen Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nicht gegenüber der Gleichstellungskommission. Der/Die Gleichstellungsbeauftragte hat bei komplexen Sachverhalten, die im Rahmen einer Sitzung der Gleichstellungskommission zu beraten sind und für die der/die Gleichstellungsbeauftragte von Betroffenen nicht von der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gleichstellungskommission entbunden wurde, die Angelegenheit anonym zu berichten.
( 4 ) Sämtliche schriftlichen Berichte sind, soweit von den Betroffenen nicht auf die Verschwiegenheit verzichtet wurde, in anonymisierter Form vorzulegen.
( 5 ) Die in den Absätzen 1 bis 4 normierte Verschwiegenheitspflicht wird bei Vorliegen eines strafgesetzlich relevanten Tatbestandes durchbrochen. Die/Der Gleichstellungsbeauftragte hat in diesem Fall den/die Vorsitzende der Gleichstellungskommission und die zur kirchlichen Aufsicht verpflichtete Person unverzüglich zu informieren und um die Einleitung der notwendigen rechtlichen Schritte zu ersuchen.
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V.
Verfahren

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§ 13

( 1 ) Sämtliche Anfragen und Beschwerden im Zusammenhang mit Gleichstellungsfragen sind der/dem Gleichstellungsbeauftragten an die Postadresse der Evangelischen Frauenarbeit zuzustellen.
( 2 ) Kann die Erledigung unmittelbar durch die/den Gleichstellungsbeauftragte/n erfolgen, so hat diese/dieser ein Erledigungsprotokoll zu führen und der Gleichstellungskommission im Rahmen der Sitzungen zu berichten.
( 3 ) Ist eine Bearbeitung bzw. Erledigung einer Beschwerde durch die/den Gleichstellungsbeauftragte/n ohne Beratung mit der Gleichstellungskommission nicht möglich, so hat diese/dieser in Fällen besonderer Dringlichkeit den/die Vorsitzende der Gleichstellungskommission zur Einberufung einer binnen 14 Tagen stattfindenden Sitzung aufzufordern, andernfalls ist die Beschwerde im Rahmen der nächsten ordentlichen Sitzung der Gleichstellungskommission zu beraten.
( 4 ) Die Gleichstellungskommission hat über die von der/dem Gleichstellungsbeauftragten eingebrachten Beschwerden zu beraten. Nach erster Beratung ist — falls die Kommission dies für erforderlich ansieht — die dienstvorgesetzte kirchliche Stelle jener Person, gegen welche sich eine Beschwerde richtet, über den Umstand der Beschwerde zu informieren. In der Folge ist den Betroffenen das Ergebnis der Beratung zur Stellungnahme zuzuleiten. In der Folge hat die Gleichstellungskommission auf eine einvernehmliche Konfliktbereinigung hinzuwirken und das Ergebnis in einem abschließenden Bericht den von der Beschwerde betroffenen kirchlichen Stellen zu übermitteln.
( 5 ) Kann eine einvernehmliche Erledigung der Angelegenheit nicht herbeigeführt werden bzw. werden die von der Gleichstellungskommission vorgelegten Lösungsvorschläge nicht akzeptiert, so ist auch darüber den betroffenen kirchlichen Stellen zu berichten, wobei in diesem Fall die Angelegenheit unverzüglich den dienstrechtlich Vorgesetzten vorzulegen ist. Gegebenenfalls hat die Gleichstellungskommission dem jeweils zuständigen kirchlichen Aufsichtsorgan gleichzeitig mit der Vorlage des Berichtes die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu empfehlen.
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§ 14

Die Schritte für die Bildung der Gleichstellungskommission sind vom Vorsitzenden der Generalsynode ohne Verzug in die Wege zu leiten.