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Kirchengericht:Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B.
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.04.2017
Aktenzeichen:R1/2017
Rechtsgrundlage:Art 119 Abs. 4 KV, § 26 Abs. 2 KVO, § 39 Abs. 1 Z 3 KVO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte: Beschwerde gegen Bescheide und Maßnahmen wegen Gesetzwidrigkeit oder Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers (Art 119 Abs 1 Z 6 u. 7 u. 10 KV; Art 119 Abs 2 zweiter Fall KV), Identität des Entscheidungsgegenstands
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Leitsatz:

  1. In Disziplinarsachen hat der Revisionssenat keine Zuständigkeit (Art 119 Abs. 4 KV).
  2. Eine Entscheidung des Disziplinarobersenats ist keine Vorfrage iSd § 26 Abs. 2 KVO in einem Verfahren nach § 16 Abs. 3 OdgA ( § 26 Abs 2 KVO und § 39 Abs. 1 Z 3 KVO).
  3. Verfahren vor dem Personalsenat und vor dem Disziplinarsenat betreffen unterschiedliche Gegenstände: In einem Verfahren nach der Disziplinarordnung sind Personen mittels Ordnungsmaßnahmen oder Disziplinarstrafen zur Verantwortung zu ziehen, die durch ihr schuldhaftes Verfahren die Kirche oder das ihnen übertragene Amt schädigen oder beeinträchtigen (§ 2 Abs. 1 DO). In einem besonderen Verfahren nach § 16 Abs. 3 OdgA nach den Vorschriften der KVO, das Angelegenheiten nach der DO ausdrücklich ausschließt (§ 15 Abs. 2 KVO), ist hingegen ua darüber zu entscheiden, ob Entlassungsgründe vorliegen (§ 26 Abs. 2 KVO).
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Az: R1/2017
Der Revisionssenat der Evangelischen Kirche A.u.H.B. hat unter dem Vorsitz seines Präsidenten SPdOGH Dr. Manfred Vogel, der rechtskundigen Mitglieder SPdVwGH i.R. Dr. Ilona Giendl und Präsident des LG.i.R. Dr. Hans-Peter Kirchgatterer sowie der zum geistlichen Amt befähigten Mitglieder Pfarrer i.R. Mag. Norbert Engele und Rektorin Mag. Johanna Uljas-Lutz über die Beschwerde des Mag. *****, *****, *****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH, Dr. Wilfried Ludwig Weh, Wolfeggstraße 1, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Evangelischen Oberkirchenrates H.B. vom 13. Jänner 2016, Zahl 02/16,
betreffend Wiederaufnahme von Verfahren,
den
Beschluss
gefasst:
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1. Die Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Suspendierung wird wegen Unzuständigkeit des Revisionssenats zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren zur Beendigung des Dienstverhältnisses und der Untersagung der Verwendung der Dienstwohnung wird als unbegründet abgewiesen.
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B e g r ü n d u n g :

ad 1.
Die Suspendierung des Beschwerdeführers durch Beschluss des Oberkirchenrates H.B. vom 23. August 2010, Zahl 094/2010, ist eine vorläufige Maßnahme, die in einem Verfahren gemäß § 58 Abs. 1 der Disziplinarordnung ausgesprochen wurde. Angelegenheiten nach der Disziplinarordnung unterliegen nicht der Verfahrensordnung (§ 15 Abs. 2 Verfahrensordnung - KVO). In Disziplinarsachen hat der Revisionssenat keine Zuständigkeit (Art 119 Abs. 4 Kirchenverfassung - KV), weshalb die Beschwerde in diesem Punkt wegen Unzuständigkeit des Revisionssenates zurückzuweisen war (vgl Revisionssenat 15. Mai 2014, R1, R2/2014).
ad 2.
Als Wiederaufnahmegrund wurde geltend gemacht, dass dem Beschwerdeführer mit E-Mail des Vorsitzenden des Disziplinarsenates vom 16. Oktober 2015 mitgeteilt worden sei, dass das gegen ihn anhängige Disziplinarverfahren nicht mehr fortgesetzt werde. Als einziger Grund für die Entlassung des Beschwerdeführers sei im Erstbescheid des Evangelischen Oberkirchenrates die Verletzung des Beichtgeheimnisses genannt; hinsichtlich dieses Entlassungsgrundes habe der Disziplinarobersenat entschieden, dass er nicht vorliege; andere Entlassungsgründe seien zu keinem Zeitpunkt genannt worden.
Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmsantrag keinen relevanten Wiederaufnahmsgrund aufgezeigt.
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Der Revisionssenat hat schon wiederholt in Erkenntnissen an den Antragsteller ausgeführt, dass einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 39 Abs. 1 Z 3 KVO stattzugeben ist, wenn der Bescheid gemäß § 26 Abs. 2 KVO von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von dem zur Entscheidung berufenen Organ in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde. Eine derartige Vorfrage liegt aber im Verhältnis zwischen Disziplinarverfahren und Verfahren nach § 16 Abs. 3 OdgA nicht vor, weil es sich dabei um voneinander unabhängige Verfahren handelt, die von unterschiedlichen Spruchkörpern nach unterschiedlichen Verfahrensordnungen zu entscheiden sind (Revisionssenat 28. November 2013, R2/2013; 15. Mai 2014, R1, R2/2014; 13. November 2015, R8/2015).
In einem Verfahren nach der Disziplinarodnung sind Personen mittels Ordnungsmaßnahmen oder Disziplinarstrafen zur Verantwortung zu ziehen, die durch ihr schuldhaftes Verhalten die Kirche oder das ihnen übertragene Amt schädigen oder beeinträchtigen (§ 2 Abs. 1 Disziplinarordnung). In einem besonderen Verfahren nach § 16 Abs. 3 OdgA nach den Vorschriften der KVO, das Angelegenheiten nach der Disziplinarodnung ausdrücklich ausschließt (§ 15 Abs. 2 KVO), ist hingegen unter anderem darüber zu entscheiden, ob Entlassungsgründe vorliegen (Revisionssenat 9. September 2011, R6/2011).
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Das aktuelle Beschwerdevorbringen gibt dem Senat keinen Anlass, von dieser Rechtsansicht abzurücken.
Die Änderung der Art 110 Abs. 1 und Art 119 Abs. 1 der Kirchenverfassung im Zusammenhalt mit der Änderung der Ordnung des geistlichen Amtes durch die Novelle 2016 (verlautbart im Amtsblatt Nr. 12/2016) hat auf das gegenständliche Wiederaufnahmeverfahren keinen Einfluss, weil das Dienstrechtsverfahren am 31. Dezember 2016 bereits abgeschlossen war.
Da weder in rechtlicher Hinsicht noch sachverhaltsbezogen neue Aspekte in der Beschwerde ausgeführt wurden, war dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu entsprechen; die offensichtlich unbegründete Beschwerde war vielmehr sofort abzuweisen (§ 44 Abs. 6 bis 8 KVO).
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Wien, am 5. April 2017
Dr. Manfred Vogel e.h.
Präsident