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Kirchengericht:Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B.
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.11.2012
Aktenzeichen:R12/2012
Rechtsgrundlage:§ 43 Abs 3 KVO, § 30 Abs 4 OdgA, § 31 Abs 2 OdgA
Vorinstanzen:keine
Schlagworte: Beschwerde gegen Bescheide und Maßnahmen wegen Gesetzwidrigkeit oder Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers (Art 119 Abs 1 Z 6 u. 7 u. 10 KV; Art 119 Abs 2 zweiter Fall KV), Hemmung der Bescheidwirkung, Inhalt der Arbeitsverpflichtung, Interessensabwägung, aufschiebende Wirkung der Beschwerde, einvernehmliche Auflösung, neue benachteiligende Rechtslage, unverhältnismaßiger Nachteil, Änderung der Dienstpflichten eines Pfarrers
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Leitsatz:

  1. Die Beurteilung, ob ein Nachteil unverhältnismäßig ist, bedarf einer Interessenabwägung zwischen den aus einer Hemmung der Bescheidwirkung erwachsenden Nachteilen für die Kirche und den Beeinträchtigungen, die der Beschwerdeführer bei sofortiger Bescheidausführung zu tragen hat. Hat die angefochtene Entscheidung keine neue Rechtslage bewirkt, die den Beschwerdeführer benachteiligen könnte, kommt eine vom Antragsteller angestrebte „Hemmung der Bescheidwirkung“ dadurch, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, nicht in Betracht (§ 43 Abs 3 KVO).
  2. Art und Umfang der von einem Pfarrer für die Kirche zu erbringenden Dienstleistungen sind im Amtsauftrag umschrieben, den der künftige Amtsträger noch vor Bestellung und Amtseinführung zu unterzeichnen hat (vgl § 30 Abs 4 OdgA). Die Änderung eines aufrechten Amtsauftrags bedarf des Einvernehmens aller beteiligten Gremien (§ 31 Abs 2 OdgA). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass eine einseitige Änderung der Dienstpflichten eines Pfarrers nach Art und Umfang rechtlich ausgeschlossen ist.
    Auch im staatlichen Arbeitsrecht hat es bei Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Inhalt der Arbeitsverpflichtung zu einer einvernehmlichen Lösung im Rahmen einer Interessenabwägung zu kommen: Den Arbeitnehmer trifft nicht nur eine Pflicht zur Arbeit, sondern auch eine Treuepflicht (Fremdinteressenwahrungspflicht), die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat die betrieblichen Interessen zu respektieren und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt. Es gehört zu den Pflichten eines Arbeitnehmers, den gerechtfertigten Anordnungen des Arbeitgebers nachzukommen. Der Arbeitgeber ist allerdings seinerseits verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die ideellen und materiellen Interessen des Arbeitnehmers gewahrt bleiben. Im Kollisionsbereich dieser Interessen hat es daher etwa bei Beurteilung der Frage, ob Weisungen gerechtfertigt erfolgten, zu einer Abwägung zu kommen.
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Az: R12/2012
Der Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich hat unter dem Vorsitz seines Präsidenten HRdOGH Dr. Manfred Vogel, der rechtskundigen Mitglieder SPdVwGH i.R. Dr. Ilona Giendl und Präsident dLG i.R. Dr. Hans-Peter Kirchgatterer sowie der zum geistlichen Amt befähigten Mitglieder Pfarrer Dr. Gerhard Harkam und Pfarrer i.R. Mag Beowulf Moser im Beisein von Sandra Gajic als Schriftführerin im Verfahren über die Beschwerde gem Art 119 Abs 1 Z 7 KV des Pfarrers Mag. *****, *****, ***** gegen die „bescheidähnliche Entscheidung bzw Maßnahme“ des Evangelischen Oberkirchenrates A.B. in seinem Schreiben vom 5.7.2012 an die Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. *****, Zl *****,
in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
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Die Anträge des Beschwerdeführers,
  1. die bescheidähnliche Entscheidung/Maßnahme möge in Bescheidform ausgestellt werden, für den Fall, dass dies nicht erforderlich sei, die Ermäßigung seiner Religionsunterrichtsverpflichtung um zwei Stunden für das Schuljahr 2012/13 durch den Superintendentialausschuss Steiermark möge als rechtsgültig akzeptiert bzw festgestellt werden,
  2. der Revisionssenat möge die Nichtzuständigket des Oberkirchenrates A.B. betreffs der bekämpften Maßnahme feststellen, in eventu, er möge feststellen, dass die für den Beschwerdeführer beantragten Ermäßigungen der Religionsunterrichtsverpflichtung gerechtfertigt und rechtswirksam sind,
werden zurückgewiesen.
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B e g r ü n d u n g :

Der Beschwerdeführer ist Pfarrer.
Mit Schreiben vom 29.5.2012 der amtsführenden Pfarrerin der Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. ***** sowie des Kurators an die Superintendentur A.B. Steiermark wird - befristet für das Schuljahr 2012/13 - ua um Reduzierung der Religionsunterrichtsverpflichtung für den Beschwerdeführer um zwei Stunden ersucht. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass durch die Vakanz der zweiten Pfarrstelle der Pfarrgemeinde für die amtsführende Pfarrerin ein bedeutender Mehraufwand insbesondere bei Amtshandlungen zu erwarten sei. Der Beschwerdeführer habe sich bereit erklärt, im Schuljahr 2012/13 noch die Jugendarbeit der Pfarrgemeinde zu verantworten und auch beim KU (gemeint offenbar: Konfirmationsunterricht) mitzuwirken.
Mit Schreiben des Evangelischen Oberkirchenrates A.B. vom 5.7.2012 an die Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. *****, Zl *****, wurde folgendes mitgeteilt:
„Der Evangelische Oberkirchenrat A.B. hat sich in seiner Sitzung am 3.7.2012 ausführlich mit dem Thema der weiteren RU-Reduktion von Pfarrer ***** beschäftigt und kam zu folgendem Beschluss: Der Bitte um RU-Reduktion auf Null wird nicht entsprochen. Begründung: Pfarrer ***** hat wie alle Pfarrer eine RU-Verpflichtung von acht Stunden, aus dem dem VEPPÖ zustehenden Reduktionskontingent wurden Pfarrer ***** bereits sechs Stunden gegeben; d.h. seine aktuelle RU-Verpflichtung beträgt zwei Wochenstunden. Der Vakanz der weiteren Pfarrstelle und der damit verbundenen höheren Arbeitsbelastung wurde dadurch entsprochen, dass die RU-Verpflichtung der geschäftsführenden Pfarrerin auf Null gesetzt wurde; dies in Analogie in vergleichbaren Fällen. Von einer weiteren Reduktion weiterer geistlicher Amtsträger wird daher Abstand genommen; das Jugendzentrum Domino wurde auch in den letzten Jahren von Pfarrer geleitet, ohne dass daraus ein erhöhter Arbeitsaufwand argumentiert wurde. In Kenntnis der außerordentlichen Schwierigkeiten der Organisation des RU in ***** im Schuljahr 2012/13 wird darauf hingewiesen, dass jede/r geistliche Amtsträger/in über Auftrag des Superintendenten verpflichtet werden kann, über das Pflichtstundenausmaß bzw. über das reduzierte Ausmaß hinaus Religionsunterricht zu erteilen.“
Mit Schreiben vom 21.7.2012 erhebt der Beschwerdeführer „Einspruch bzw Beschwerde“ gegen die Entscheidung, der Bitte um Religionsunterrichtsreduktion auf Null nicht zu entsprechen. Die angefochtene Entscheidung hindere sein Recht auf Ermäßigung seiner Religionsunterrichtsverpflichtung um zwei Stunden zum Ausgleich für andere besondere Arbeitsbereiche und Aufgaben (Schwerpunktsetzung besonders umfangreiche Jugendarbeit Heilandskirche) gemäß § 4 Abs 1 und 4 RU-VO 2001.
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Der Revisionssenat hat zu dieser Eingabe erwogen:
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Der Revisionssenat erkennt über Beschwerden gegen Bescheide und Maßnahmen, soweit der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid oder die Maßnahme in einem durch die Kirchenverfassung und kirchliche Gesetze gewährleisteten Recht verletzt zu sein (Art 119 Abs 1 Z 7 KV).
Zur Stellung eines Antrags bzw Einbringung einer Beschwerde ist in diesen Fällen der Antragsteller im betreffenden kirchlichen Verwaltungsverfahren sowie jene Personen und Körperschaften der Kirchen berechtigt, deren Rechte betroffen sind oder wären (Art 121 Abs 1 Z 3 KV).
Der Beschwerdeführer hat kein kirchliches Verwaltungsverfahren eingeleitet. Es bleibt für seine Antragslegitimation daher allein zu prüfen, ob er in einem durch die Kirchenverfassung und kirchliche Gesetze gewährleisteten Recht verletzt worden ist.
Die Beschwerde richtet sich inhaltlich gegen die Abweisung eines Antrags von Organen der Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. *****, die Religionsunterrichtsverpflichtung für den Beschwerdeführer um zwei Stunden zu reduzieren.
Inhaltlich handelt es sich um einen Konflikt zwischen der Kirche und einem zur Kirche in einem Dienstverhältnis stehenden Pfarrer über den Inhalt der vom Pfarrer zu erbringenden Dienstleistungen.
Wie viele Religionsstunden ein Pfarrer im Rahmen seiner Dienstleistung für die Kirche zu erbringen hat, ist weder in der Kirchenverfassung, noch in einem kirchlichen Gesetz geregelt, sondern Gegenstand des Amtsauftrags.
Art und Umfang der von einem Pfarrer für die Kirche zu erbringenden Dienstleistungen sind im Amtsauftrag umschrieben, den der künftige Amtsträger noch vor Bestellung und Amtseinführung zu unterzeichnen hat (vgl § 30 Abs 4 Ordnung des geistlichen Amtes – OdgA). Die Änderung eines aufrechten Amtsauftrags bedarf des Einvernehmens aller beteiligten Gremien (§ 31 Abs 2 OdgA). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass eine einseitige Änderung der Dienstpflichten eines Pfarrers nach Art und Umfang rechtlich ausgeschlossen ist. Eine solche einseitige Änderung ist auch nicht durch die in Beschwerde gezogene Entscheidung erfolgt.
Die innerkirchliche Rechtslage folgt hier der staatlichen: Auch im staatlichen Arbeitsrecht hat es bei Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Inhalt der Arbeitsverpflichtung zu einer einvernehmlichen Lösung im Rahmen einer Interessenabwägung zu kommen: Den Arbeitnehmer trifft nicht nur eine Pflicht zur Arbeit, sondern auch eine Treuepflicht (Fremdinteressenwahrungspflicht), die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat die betrieblichen Interessen zu respektieren und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt (vgl RIS-Justiz RS0021449). Es gehört zu den Pflichten eines Arbeitnehmers, den gerechtfertigten Anordnungen des Arbeitgebers nachzukommen. Der Arbeitgeber ist allerdings seinerseits verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die ideellen und materiellen Interessen des Arbeitnehmers gewahrt bleiben. Im Kollisionsbereich dieser Interessen hat es daher etwa bei Beurteilung der Frage, ob Weisungen gerechtfertigt erfolgten, zu einer Abwägung zu kommen (OGH 9 ObA 219/92).
Da der Beschwerdeführer durch die in Beschwerde gezogene Entscheidung in keinem durch die Kirchenverfassung und kirchliche Gesetze gewährleisteten Recht verletzt worden ist, fehlt ihm die Legitimation, diese Entscheidung mit Beschwerde nach Art 119 Abs 1 Z 7 KV durch den Revisionssenat überprüfen zu lassen.
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Wien, am 12.11.2012
HRdOGH Dr. Manfred Vogel
Präsident